INTERVIEW MARCUS TILGNER (Sparta Spreeathen74/82)
27. April 2013
"Das Miteinander im DSTFB scheint zu stimmen;
Jungveteran Tilgner gewinnt 2008 den Grand Prix von Dänemark in Odense in der Kategorie Ü40.
Die Interview-Reihe des DSTFB geht in eine neue Runde. Zum sechsten Mal gibt uns eine Subbuteo-Koryphäe Einblick in
sein Innerstes, zu aktuellen Themen, privaten Ansichten und Zukunftsplänen - wie immer spontan und mit viel Gefühl in
den Fingerspitzen. Diesmal ist es Mr. Spreeathen, ein Mann der viel zu sagen hat. Das Interview führt Tom Horn.
dstfb.de
Marcus, du bist nun schon seit vielen Jahren im Subbuteo-Zirkus dabei. Wieviel persönlicher Ehrgeiz ist bei dir noch
vorhanden? Alles nur "just for fun" oder hegst du insgeheim den Wunsch, ein bestimmtes Turnier irgendwann zu gewinnen?
Marcus Tilgner
Vor allem lernt man nach so vielen Jahren Zirkus sich selber kennen und einzuschätzen. Daher weiß ich mittlerweile
recht gut, was ich leisten kann und wieviel Aufwand meinerseits dafür nötig ist. Und eine der wohl wichtigsten
Erkenntnisse ist die, dass es absolut keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der spielerischen Qualität und dem
Ergebnis gibt. Man erhöht zwar sicherlich die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgserlebnisses durch eine gute spielerische
Leistung, eine Garantie für den Erfolg ist das aber noch lange nicht.
Inwieweit sich da noch Ehrgeiz für bestimmte Turniere entwickelt, entscheidet sich bei mir eher kurzfristig. Ich stell
mich heute bestimmt nicht hin und nehme mir vor, z.B. dieses Jahr den Baumfalkencup zu gewinnen. Hinfahren werde ich
aber in jedem Fall und bin mir sicher, dass dort wie jedes Jahr jede Menge Spaß auf mich wartet. Und wenn ich gegen
Mittag langsam wach werde und noch immer im Turnier bin, kann man so langsam über persönlichen Ehrgeiz reden.
dstfb.de
Das heutige Subbuteo ist kaum mehr mit dem Spiel aus den 70er und 80er Jahren zu vergleichen. Die Regeln wurden
geändert, und das Material, speziell die Sockel der Figuren, ist oft hochentwickelt und entsprechend teuer. Gehörst du
eigentlich eher zu den Nostalgikern, die noch immer vom "Old Subbuteo" schwärmen, oder begrüßt du den Fortschritt der
letzten Jahre?
Marcus Tilgner
"Old Subbuteo" ist ein inzwischen feststehender Begriff, den sich eine große Spielerbewegung vornehmlich in Italien
gegeben hat, um einen eigenen Spielbetrieb aufzubauen, aufrechtzuerhalten und zu promoten. Und so bekloppt es sich
anhört, ich habe es noch nie gespielt, wäre aber gerne mal dabei, wenn sich mindestens ein Verrückter findet, der
mitmacht.
Was die Spielregeln dessen angeht, was wir hier in Deutschland bzw. in Europa betreiben, bin ich eindeutig und auch
bekennender Nostalgiker.
Und zwischen den Spielregeln und dem verwendeten Material besteht ein ziemlich direkter Zusammenhang. Offensichtlich
wäre es, wenn man einfach mal vor zwanzig Jahren gesagt hätte, die Tore werden fünf Zentimeter breiter aber dafür auch
fünf Zentimeter flacher - da würde kein Mensch mit den Sockeln des heutigen 'Fortschritts' spielen. Es gibt aber auch
subtilere Auswirkungen durch die für mich persönlich oft kuriose Konstellationen entstehen.
Als Beispiel: Die Figuren, mit denen ich wohl am besten zurechtkomme, sind zwar erlaubt, machen durch ihre wackelige
Optik ein vernünftiges Verteidigen aber fast unmöglich, weil man mit ihnen ständig Freistöße gegen sich kassiert. Das
liegt zunächst einmal an den Regeln an sich. Zum anderen aber auch am verwendeten Material, das den Angreifer
zusätzlich befähigt, diese Freistöße eben auch zu erzwingen. Dass viele Gegner dann mit niemals genehmigten Figuren
spielen, interessiert die wenigsten und daß KEINES der genutzten Astropitch-Felder und -Abwandlungen jemals regulär
war, schon erst recht niemanden - Hauptsache, es rutscht.
Und da ist dann auch der Zusammenhang zur vorherigen Frage. Wenn ich also auf irregulären Feldern jede Minute oder
öfter einen Freistoß gegen mich kassiere, dessen Regel-Logik ich zutiefst in Frage stelle und der oft vom Schieri nur
reflexartig gegeben wird, weil er eben immer gegeben wird, da der Gegner seine irregulären Figuren gegen meine eigenen
regulären Figuren gedonnert hat, dann ist es mit 'just for fun' recht bald vorbei.
Also musste ich irgendwann dagegensteuern und einen Figurenwechsel vornehmen. Den Hype um die neuen Sockel habe ich
dabei schon aus preislichen Gründen nie verstanden oder mitgemacht. Was andere für einen Sockel ausgeben, reicht bei
mir für zwei Teams und eine gewisse Konkurrenzfähigkeit habe ich ja trotzdem...
Marcus Tilgner ist nicht nur einer der erfolgreichsten deutschen Subbuteospieler, sondern auch einer der besten
Turnierleiter - weltweit!
dstfb.de
du vielleicht genauer erläutern, was du unter "wackliger Optik" verstehst?
Marcus Tilgner
Kleines Experiment zur wackligen Optik zum Selberbauen: Stell mal eine Extreme-Works-Figur und eine LightWeight-Figur
auf ein Feld und schieße gegen beide einen Ball. Und dann sag mir, welche der beiden Figuren eher so aussah, als
hätte sie vor dem Zusammenprall schon gestanden!;-)
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Im LV Nord sind derzeit ja einige junge Spieler, während es in den anderen Verbänden eher schwierig scheint, Nachwuchs
zu finden. Glaubst du, dass es in den nächsten Jahren möglich sein wird, viele junge Spieler auf Subbuteo neugierig
zu machen? Und was könnten wir dafür tun?
Marcus Tilgner
Oh, das ist eigentlich ganz einfach. Es müssen nur alle ihren Job hinschmeißen und sich ganz den Jugendlichen widmen.
Also finden, begeistern, fördern und dabei halten und so... Das Problem ist einfach, dass es sehr zeitintensiv ist.
Und das Spiel erklärt sich eben auch nicht von allein und damit ist es für viele schon abschreckend. Oder hat man
schon mal erlebt, dass ein Jugendlicher sich für ein Computerspiel die Anleitung durchliest? Je mehr Zeit jeder
einzelne investieren kann, desto höher die Erfolgsaussichten, aber auch hier gibt es keine Garantien. Und man
investiert oft und viel Zeit für nix... Abgesehen davon würde es natürlich immens helfen, wenn das Spiel wieder in den
Regalen stehen würde, dann aber bitte wie früher mit Kontaktadressen.
dstfb.de
Welcher Spieler hat dich eigentlich am meisten beeinflusst, von wem hast du dir das meiste abgeschaut? Und welchen
Topspieler schätzt du heute am höchsten ein?
Marcus Tilgner
Das ist schwer zu beantworten. Ich bin auf jeden Fall sehr zufrieden mit meiner Subbuteo-Sozialisation und den
positiven Einflüssen, die ich z.B. durch Klaus Ruthenberg, Wilfried Pretzel, Klaus-Heinrich Wulff, Bernd Külper oder
auch Jens Röttjer erhalten habe. Diese Liste kann man bestimmt noch weiter fortführen, aber sie haben sicherlich
großen Anteil daran, mit welcher Einstellung ich an die ganze Sache herangehe. Spielerisch abgeschaut habe ich mir
gar nicht so viel, glaube ich. Zumindest nicht bewusst. Sicher hat man immer mal wieder das eine oder andere
mitgenommen, aber da könnte ich keine konkreten Namen nennen. Die Einschätzung der Topspieler hängt natürlich auch mit
den persönlichen Erfahrungen zusammen, die man mit Ihnen gemacht hat. Als Gesamtpaket finde ich Daniele Bertelli am
beeindruckendsten, der zwar nicht immer mit so spektakulär hohen Resultaten hervorsticht, es aber dafür auch nicht
nötig hat, alles nur mit Tempo zu lösen.
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Wie lange kannst du dir vorstellen, noch aktiv beim Subbuteo-Zirkus mitzumachen?
Marcus Tilgner
Naja, wenn ich mir die bisherige 'Karriere' so anschaue, dann haben mich bisher weder eine gebrochene Kniescheibe, ein
gebrochener Lendenwirbel oder eine hartnäckige Augeninfektion (an der Stelle möchte ich nochmal das amerikanische
Spezialitätenrestaurant "Zur Goldenen Möwe" erwähnen, deren Burger mich fast blind gemacht haben...) jeweils davon
abhalten können, weiter zu spielen. Die WM in Malta habe ich mit links gespielt, weil der rechte Zeigefinger gebrochen
war - irgendwie geht es also immer. Vielleicht muss alles zusammenkommen?! Ich kann es nicht sagen, aber das wird
sicher aus gesundheitlichen Gründen sein - also hoffentlich nie...
So kennt man ihn im Spiel - eiskalt wie eine Gletschermoräne
dstfb.de
Gerade fanden die Deutschen Einzelmeisterschaften in Eschborn statt. Wie hast du den Wettbewerb erlebt?
Marcus Tilgner
Beeindruckt hat nicht nur mich die wirklich faire Atmosphäre. Wenn man auf der Rückfahrt Kommentare hört, dass die
deutschen Veranstaltungen viel angenehmer zu spielen seien als die internationalen, dann zeigt das, dass das
Miteinander im DSTFB zu stimmen scheint. Sollte das Spiel demnächst wieder im Handel sein, und wir dadurch Zulauf bei
den Mitgliedern haben, wird es eine große Aufgabe für alle sein, diese Atmosphäre weiterzutragen und als Vorbild zu
fungieren. Da kann ich nur hoffen, dass uns das gelingt. Weniger förderlich sind da natürlich solche Szenen, wie wir
sie nach dem Halbfinale am Sonntag erleben mussten. Derartiges Verhalten wie diese lauthals zur Schau getragene
Respektlosigkeit lädt leider nur zum Fremdschämen ein. Auch bei allem Verständnis für die möglicherweise
altersbedingte Unreife und den tatsächlich unglücklichen Verlauf des Spiels!
Aus Sicht des Turnierleitenden war der "Rumsitzers-Cup" ein voller Erfolg, der unbedingt beibehalten werden sollte.
Durch die tatkräftige Mithilfe seiner Teilnehmer bei den anstehenden Schiedsrichteraufgaben bei den Damen und in der
Open konnten die dort normalerweise auftretenden Engpässe locker bewältigt und die Open-Spieler durchaus entlastet
werden.
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Man merkt, dass dir der soziale Aspekt unseres Spiel/Sports sehr am Herzen liegt. Würdest du sagen, dass es für die
jungen Nachwuchsspieler in erster Linie wichtig ist, Ehrlichkeit, Fairness und freundschaftliches Miteinander zu
lernen?
Marcus Tilgner
Ohne diesen Aspekt hätte der DSTFB wahrscheinlich nicht bis heute überlebt, denn wir sind in wahrlich nicht einfachen
Zeiten über kurz oder lang deutlich enger zusammengerückt.
Und auch dies ist etwas, das es weiterzutragen und zu vermitteln gilt. Niemand wäre am Ende des Tages glücklich
darüber, wenn er durch offensichtliche Unehrlichkeit aus einem Turnier ausscheidet. Diese Ehrlichkeit und Fairness
aber nur von anderen zu erwarten funktioniert nicht, man muss sie auch selber leben und somit immer wieder bereit
sein, den ersten Schritt zu tun.
Gerade in dieser Hinsicht war ich z.B. extrem stolz auf das Verhalten von Alwin im U12-Finale, als er mehr als einmal
Situationen zu seinem Nachteil korrigiert hat. Das ist weit mehr wert als der mögliche Titel, den er dann recht
unglücklich nicht gewonnen hat. Aber auch das Verhalten und die Äußerungen von Moritz waren sehr erfreulich und
lobenswert. Die Jungs sind auf dem richtigen Weg...!
dstfb.de
Danke fürs Interview und weiterhin viel Spaß und schöne Spiele.
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Marcus Tilgner
(Sparta Spreeathen 74/82)
Geburtsdatum
26.8.1968
Beruf
Student ;-)
Hobbys außer Subbuteo
wie bitte?
Lieblingsmusik
Das wechselt, aber zur Zeit läuft bei mir viel Interpol
Am liebsten esse ich
Spare-Ribs im Strand-Café! Sonst geht alles außer Kartoffeln!
Wenn ich Fernsehen gucke, dann
… sehe ich meist ein Auswärtsspiel von Hertha
Ich bin Fußball-Fan von
Hertha BSC
Persönlichkeiten, die mich interessieren
Wolfgang Stark !!!!!
Wenn ich könnte, würde ich
vielleicht mit dem Fluxkompensator herumspielen...
bisherige große Erfolge
stehen alle in den Statistiken des DSTFB
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